JAGODA BEDNARSKY
Ausstellungstext, Energy Strategy Tragedy@ Kunstraum Potsdam
2021 – Katalogtext
Haben unsere Brüste, so wie sie sind, einen Platz in der Kunst? Mutterschaft wird in der Kunstwelt auch im 21. Jahrhundert noch immer als Tabu behandelt und viele Künstler*innen, die Mütter sind, halten die beiden Seiten ihrer Biografie getrennt. „Juggling motherhood and any career can be a struggle“, schreibt die Autorin und Kunstkritikerin Hettie Judah in einem 2020 bei The Guardian veröffentlichten Artikel und führt weiter fort: „but there seems to be something about the role of artists that makes the combination more than usually problematic.“ Nur als „secret mothers infiltrating the house of art“, so Judah, gelänge es Frauen* in den meisten Fällen weiterhin in den patriarchalen Strukturen der Kunstwelt sichtbar und akzeptiert zu bleiben. Dem ohnehin unsicheren und unberechenbaren Beruf der Künstler*in kommt durch die Mutterschaft eine weitere Ebene der Prekarität hinzu, die aufgrund ihrer Tabuisierung besonders häufig aus Künstler*innenbiografien ausgeklammert wird.
In ihrer Einzelausstellung Energy Strategy Tragedy im Kunstraum Potsdam bricht Jagoda Bednarsky auf subtile Weise mit dieser Zensur und stellt einen Versuch vor, sich Strategien der Energiesuche als Künstlerin (und Mutter) malerisch zu nähern. Der Ausstellungstitel lehnt sich an dem Begriff der Energiestrategie („Energy Strategy“) an, einem Aktionsplan für das Management der Energieversorgung, -beschaffung, -kosten und -effizienz in allen Bereichen eines Unternehmens. Eine Strategie, die nicht nur in der Marktwirtschaft, sondern auch im Privaten Einzug gefunden hat: Energiemanagement und Effizienzoptimierung spielen in liberal-kapitalistischen Gesellschaften einen immer essentielleren Stellenwert und nehmen insbesondere durch die globale Gesundheits- und Klimakrise neue Maßstäbe an.
Was wir in unserem Heute erleben, ist jedoch, dass die Strategien, die wir auf struktureller als auf individueller Ebene entwickelt haben, oft nicht mehr ausreichen, um die Energie, die wir verlieren oder verbrauchen, zu erneuern oder wiederherzustellen. Wie also könnte eine nachhaltige „Energiestrategie“ aussehen, die nicht bloß versucht Symptome zu bekämpfen, sondern nach dem Ursprung jener Erschöpfheit fragt?
Sechs großformatige Leinwände von Bednarsky, die auf Metallstehlen um eine Wendeltreppe versammelt sind, welche in das sternenförmige Obergeschoss der Ausstellungsfläche führt, spüren Motiven nach, die sich mit den vermeintlichen Oppositionen von Aktivität und Erschöpfung beschäftigen. Energy Strategy (2021) zeigt beispielsweise eine Tierfigur, die sich an dem Kinder- und Bilderbuch Where the Wild Things Are (1963) des US-amerikanischen Autors und Illustrators Maurice Sendak anlehnt. Ein Fantasiegeschöpf mit grünlichem Fell und zwei Hörnern lehnt hier sitzend mit geschlossenen Augen an einer schmalen Palme und mehreren um es getürmten Kissen. Den Kopf in eine Hand gestützt, scheint es vor tiefer Erschöpfung eingeschlafen zu sein, oder zumindest eine kurze Pause von der es umgebenden Welt zu nehmen. Als ein mögliches Symbolbild des (post)-pandemischen Subjekts, dessen Energie – selbst unter Palmen – verbrannt ist, gibt es der Erschöpfung Raum und verpackt diese zugleich in etwas Fantastischem, Mehr-als-Menschlichem. Gegenüber befindet sich die gleichformatige Leinwand Wellness (Milk&Honey) (2019), in der unter dem regenbogenfärbigen Schriftzug „Wellness!“ Seifenblasen, die an ätherische Ölbäder erinnern, und zwei schwebende, körperlose Brüste arrangiert sind.
Brüste tauchen immer wieder im jüngsten Werk Bednarskys auf – als Motiv stellen sie, laut ihr, eine Art „Daseinsberechtigung“ der Künstlerin und des Bildes zugleich dar. Die runden Formen, die mehr an Landschaften als an Körper erinnern, sind auch die Protagonistinnen von Shadowland-21 (2021), einer weiteren Malerei, die in dem sechsteiligen Ensemble zu sehen ist. Hier bildet die Brust eine Metapher für das Essentielle, aber auch für das „Schattenland“ von Mutterschaft und verweist gleichzeitig auf einen Teil des Körpers, der noch immer mehr als sexualisiertes Objekt, denn als natürlich wahrgenommen wird.
An anderer Stelle kehrt auch der Wellness-Schriftzug in Wellness (Bett) (2021) wieder, diesmal jedoch auf den Kopf gestellt und am unteren Bildrand auf einer bettähnlichen karierten Fläche platziert, unter der sich eine weitere runde Form bedeckt hält. Wellness (Bett) könnte hier – in Opposition zu negativen Konnotationen von Stillstand innerhalb der heutigen leistungsorientierten Gesellschaft – suggerieren, dass Erschöpfung auch Wellness bedeuten kann. Der Begriff „Wellness“ geht zurück auf den Sozialmediziner Halbert L. Dunn, der 1959 aus dem Begriff für Wohlbefinden (Eng.: wellbeing) und körperlicher Leistungsfähigkeit (Eng.: fitness) eine neue Wortschöpfung entwickelte, die den Grundstein für die US-amerikanische Wellness-Bewegung legte. Dieses neue ganzheitliche Gesundheitsmodell entwickelte sich parallel zum Wirtschaftsboom der USA und legte den Fokus auf Gesundheitsförderung und Eigenverantwortung des Einzelnen für seine Gesundheit.
Wieso bedurfte es während des damaligen Zeitpunktes aber überhaupt dieser Kombination aus Wohlbefinden und Leistung? Und welchen Körpern, jedoch, stand und steht dieser Wellness nicht zu – wer konnte und kann nicht ruhen oder sich von den Anspannungen und Anstrengungen des Alltags, der Arbeit oder privaten und gesellschaftlichen Herausforderungen erholen? M-AH!-NDAL-AH! (2021) bildet mit seiner hypnotisierenden Wirkung, in deren Zentrum sich ein Steckendosenpaar befindet, einen weiteren Verweis auf die zentrale Frage nach einer Energy Strategy, und deren möglicher Tragedy in einer Zeit, in der die Krise selbst gewöhnlich geworden ist.
JAGODA BEDNARSKY
Ausstellungstext, Energy Strategy Tragedy@ Kunstraum Potsdam
2021 – Katalogtext
Haben unsere Brüste, so wie sie sind, einen Platz in der Kunst? Mutterschaft wird in der Kunstwelt auch im 21. Jahrhundert noch immer als Tabu behandelt und viele Künstler*innen, die Mütter sind, halten die beiden Seiten ihrer Biografie getrennt. „Juggling motherhood and any career can be a struggle“, schreibt die Autorin und Kunstkritikerin Hettie Judah in einem 2020 bei The Guardian veröffentlichten Artikel und führt weiter fort: „but there seems to be something about the role of artists that makes the combination more than usually problematic.“ Nur als „secret mothers infiltrating the house of art“, so Judah, gelänge es Frauen* in den meisten Fällen weiterhin in den patriarchalen Strukturen der Kunstwelt sichtbar und akzeptiert zu bleiben. Dem ohnehin unsicheren und unberechenbaren Beruf der Künstler*in kommt durch die Mutterschaft eine weitere Ebene der Prekarität hinzu, die aufgrund ihrer Tabuisierung besonders häufig aus Künstler*innenbiografien ausgeklammert wird.
In ihrer Einzelausstellung Energy Strategy Tragedy im Kunstraum Potsdam bricht Jagoda Bednarsky auf subtile Weise mit dieser Zensur und stellt einen Versuch vor, sich Strategien der Energiesuche als Künstlerin (und Mutter) malerisch zu nähern. Der Ausstellungstitel lehnt sich an dem Begriff der Energiestrategie („Energy Strategy“) an, einem Aktionsplan für das Management der Energieversorgung, -beschaffung, -kosten und -effizienz in allen Bereichen eines Unternehmens. Eine Strategie, die nicht nur in der Marktwirtschaft, sondern auch im Privaten Einzug gefunden hat: Energiemanagement und Effizienzoptimierung spielen in liberal-kapitalistischen Gesellschaften einen immer essentielleren Stellenwert und nehmen insbesondere durch die globale Gesundheits- und Klimakrise neue Maßstäbe an.
Was wir in unserem Heute erleben, ist jedoch, dass die Strategien, die wir auf struktureller als auf individueller Ebene entwickelt haben, oft nicht mehr ausreichen, um die Energie, die wir verlieren oder verbrauchen, zu erneuern oder wiederherzustellen. Wie also könnte eine nachhaltige „Energiestrategie“ aussehen, die nicht bloß versucht Symptome zu bekämpfen, sondern nach dem Ursprung jener Erschöpfheit fragt?
Sechs großformatige Leinwände von Bednarsky, die auf Metallstehlen um eine Wendeltreppe versammelt sind, welche in das sternenförmige Obergeschoss der Ausstellungsfläche führt, spüren Motiven nach, die sich mit den vermeintlichen Oppositionen von Aktivität und Erschöpfung beschäftigen. Energy Strategy (2021) zeigt beispielsweise eine Tierfigur, die sich an dem Kinder- und Bilderbuch Where the Wild Things Are (1963) des US-amerikanischen Autors und Illustrators Maurice Sendak anlehnt. Ein Fantasiegeschöpf mit grünlichem Fell und zwei Hörnern lehnt hier sitzend mit geschlossenen Augen an einer schmalen Palme und mehreren um es getürmten Kissen. Den Kopf in eine Hand gestützt, scheint es vor tiefer Erschöpfung eingeschlafen zu sein, oder zumindest eine kurze Pause von der es umgebenden Welt zu nehmen. Als ein mögliches Symbolbild des (post)-pandemischen Subjekts, dessen Energie – selbst unter Palmen – verbrannt ist, gibt es der Erschöpfung Raum und verpackt diese zugleich in etwas Fantastischem, Mehr-als-Menschlichem. Gegenüber befindet sich die gleichformatige Leinwand Wellness (Milk&Honey) (2019), in der unter dem regenbogenfärbigen Schriftzug „Wellness!“ Seifenblasen, die an ätherische Ölbäder erinnern, und zwei schwebende, körperlose Brüste arrangiert sind.
Brüste tauchen immer wieder im jüngsten Werk Bednarskys auf – als Motiv stellen sie, laut ihr, eine Art „Daseinsberechtigung“ der Künstlerin und des Bildes zugleich dar. Die runden Formen, die mehr an Landschaften als an Körper erinnern, sind auch die Protagonistinnen von Shadowland-21 (2021), einer weiteren Malerei, die in dem sechsteiligen Ensemble zu sehen ist. Hier bildet die Brust eine Metapher für das Essentielle, aber auch für das „Schattenland“ von Mutterschaft und verweist gleichzeitig auf einen Teil des Körpers, der noch immer mehr als sexualisiertes Objekt, denn als natürlich wahrgenommen wird.
An anderer Stelle kehrt auch der Wellness-Schriftzug in Wellness (Bett) (2021) wieder, diesmal jedoch auf den Kopf gestellt und am unteren Bildrand auf einer bettähnlichen karierten Fläche platziert, unter der sich eine weitere runde Form bedeckt hält. Wellness (Bett) könnte hier – in Opposition zu negativen Konnotationen von Stillstand innerhalb der heutigen leistungsorientierten Gesellschaft – suggerieren, dass Erschöpfung auch Wellness bedeuten kann. Der Begriff „Wellness“ geht zurück auf den Sozialmediziner Halbert L. Dunn, der 1959 aus dem Begriff für Wohlbefinden (Eng.: wellbeing) und körperlicher Leistungsfähigkeit (Eng.: fitness) eine neue Wortschöpfung entwickelte, die den Grundstein für die US-amerikanische Wellness-Bewegung legte. Dieses neue ganzheitliche Gesundheitsmodell entwickelte sich parallel zum Wirtschaftsboom der USA und legte den Fokus auf Gesundheitsförderung und Eigenverantwortung des Einzelnen für seine Gesundheit.
Wieso bedurfte es während des damaligen Zeitpunktes aber überhaupt dieser Kombination aus Wohlbefinden und Leistung? Und welchen Körpern, jedoch, stand und steht dieser Wellness nicht zu – wer konnte und kann nicht ruhen oder sich von den Anspannungen und Anstrengungen des Alltags, der Arbeit oder privaten und gesellschaftlichen Herausforderungen erholen? M-AH!-NDAL-AH! (2021) bildet mit seiner hypnotisierenden Wirkung, in deren Zentrum sich ein Steckendosenpaar befindet, einen weiteren Verweis auf die zentrale Frage nach einer Energy Strategy, und deren möglicher Tragedy in einer Zeit, in der die Krise selbst gewöhnlich geworden ist.